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Mammographiescreening: Wandel im Gesundheitssystem benötigt bessere Kommunikation

ÖGS sieht schlechte Kommunikation als Ursache für Ängste und Unzufriedenheit bei Betroffenen

Zu geringe Teilnahmezahlen, angebliche Fehldiagnosen, der Ausschluss bestimmter Altersgruppen – die Liste an mehr oder weniger begründeten Kritikpunkten am neuen Brustkrebsfrüherkennungsprogramm ist lang. Die Österreichische Gesellschaft für Senologie (ÖGS) – das interdisziplinäre Forum für Brustgesundheit bestehend aus Gynäkologen, Chirurgen, Radiologen, Onkologen, Strahlentherapeuten, plastischen Chirurgen und Pathologen – lud daher am 18. September zur Pressekonferenz „Mammographiescreening: Mythen, Fakten, Ängste“, wo sie ihre inhaltliche Unterstützung für das Mammographiescreening bekräftigte und bessere Kommunikationsmaßnahmen seitens der Programmverantwortlichen forderte.

Geringe Teilnahmezahlen: Kulturwandel zu Früherkennung und mehr Eigenverantwortung der Bevölkerung erfordert intensivere Informationsarbeit

Aktuelle Zahlen legen nahe, dass das neue Brustkrebsfrüherkennungsprogramm noch nicht in den Köpfen der Bevölkerung angekommen ist: Nur etwa 50 Prozent der Frauen, die derzeit eine Mammographie in Anspruch nehmen, tun dies aufgrund des neuen Programms. Der Anteil der Frauen, die aufgrund des Programms zum ersten Mal zur Mammographie gehen, liegt bei nur einem Prozent.
„Der Kulturwandel zu einem System, das eigenverantwortliches Tun der Frauen erfordert, funktioniert nicht von heute auf morgen“, betonte Prim. Univ.-Prof. Dr. Angelika Reiner, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Senologie (ÖGS) und Abteilungsvorstand des Pathologisch-Bakteriologischen Instituts am SMZ Ost. „Hier besteht akuter Handlungsbedarf für die Verantwortlichen der Sozialversicherungen und der Politik: Wir brauchen langfristige Informationskampagnen für betroffene Frauen wie auch betreuende ÄrztInnen, um in unserem Gesundheitssystem einen nachhaltigen Kulturwandel zu Prävention und Früherkennung zu schaffen.“

Prim. Univ.-Prof. Dr. Angelika Reiner © Reiner
Prim. Univ.-Prof. Dr. Angelika Reiner © Reiner

Die bislang äußerst mangelhafte Kommunikation bekommen vor allem auch die niedergelassenen ÄrztInnen zu spüren, die in ihrer täglichen Arbeit an der Schnittstelle zu den Patientinnen agieren. Gynäkologe Univ.-Doz. Dr. Michael Medl hob hervor: „Ich bin an sich ein großer Befürworter des Mammographiescreenings. Das Problem ist die katastrophale Kommunikation und Information von Patientinnen, beteiligten ÄrztInnen aber auch KrankenkassenmitarbeiterInnen.“

Univ.-Doz. Dr. Michael Medl © Medl
Univ.-Doz. Dr. Michael Medl © Medl

Mammographiescreening gewährt nicht immer ausreichende Befundsicherheit – Österreichisches Früherkennungsprogramm ermöglicht anschließende Ultraschalluntersuchung bei Verdachtsbefunden

Das österreichische Früherkennungsprogramm sieht vor, dass in speziellen Fällen, in denen durch Mammographie alleine keine ausreichende Befundsicherheit erzielt werden kann, sofort eine Ultraschalluntersuchung angeschlossen werden kann. Dies betrifft v.a. Frauen, die ein dichtes Drüsengewebe haben, das die Erkennungsgenauigkeit der Mammographie herabsetzt.
„Damit stellen wir sicher, dass es keine Frauengruppen gibt, die benachteiligt und unterversorgt sind. Viele andere Länder beneiden uns um diese Möglichkeit“, sagte Univ.-Prof. Dr. Alexandra Resch von der Universitätsklinik für Strahlentherapie, Vizepräsidentin der ÖGS.

Brustkrebs bei jungen Frauen: Mammographie kein geeignetes Instrument zur Früherkennung – Experten raten zur genetischen Abklärung

Bei jungen Frauen unter 40 Jahren tritt Brustkrebs relativ selten auf. Die frühe Diagnose ist schwierig, da das Brustgewebe sehr dicht und daher für eine Mammographie nicht geeignet ist – daher werden junge Frauen im Screeningprogramm sinnvollerweise auch nicht berücksichtigt.
Da bei jungen Frauen die Wahrscheinlichkeit einer erblichen Komponente relativ größer ist, rät die ÖGS allen jungen Frauen, bei denen familiär gehäufte Brust- und/oder Eierstockkrebserkrankungen auftreten, zur Beratung in einem der über 60 Brustgesundheitszentren in Österreich. Die Kosten für eine genetische Abklärung werden in bestimmten Fällen von der Sozialversicherung übernommen.

Mammographiescreeningprogramm bietet keine Möglichkeit der Evaluierung – ÖGS fordert Dokumentation der Behandlungsdaten

Als einem der ersten österreichweiten Früherkennungsprogramme überhaupt kommt dem Mammographiescreening ein Modellcharakter zu. Umso befremdlicher scheint es, dass seitens der Politik keine Dokumentation ermöglicht wird, woran Prof. Dr. Michael Gnant, Leiter des Brustgesundheitszentrums im AKH Wien, deutlich Kritik übte: „Derzeit werden in Österreich keine Behandlungsdaten erfasst, weshalb eine langfristige wissenschaftliche Bewertung des Programms kaum möglich sein wird. Gerade bei einem Vorzeigeprogramm wie dem Mammographiescreening muss es doch im Interesse der Verantwortlichen sein, Grundlagen für eine sinnvolle Evaluierung zu schaffen.“

Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant © Gnant
Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant © Gnant

Neue Erkenntnisse abseits des Screeningprogramms: Chemotherapie in späten Stadien einer Schwangerschaft: Meist keine negativen Auswirkungen auf Kind im Mutterleib

Im Rahmen der Pressekonferenz wurde auch über aktuelle Erkenntnisse zum Thema „Mammakarzinom bei jungen Frauen“ berichtet. Besonders schwierig ist die Diagnose von Brustkrebs während einer Schwangerschaft und im ersten Jahr danach. Prim. Univ.-Doz. Dr. Rupert Koller, Kongresspräsident und Vizepräsident der ÖGS sowie Leiter der Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie im Wiener Wilhelminenspital, hob hervor, dass es sich gerade in diesen Fällen meist um besonders aggressive Krebsformen handelt. Eine dringend notwendige Therapie in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft habe aktuellen Studien nach keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit des Kindes: „Sollte eine Chemotherapie in der zweiten Hälfte einer Schwangerschaft notwendig sein, gibt es in der medizinischen Literatur schon genaue Hinweise dafür, dass Kinder einer solchen Schwangerschaft gesund geboren und gesund erwachsen werden können“, so Koller.

Rupert Koller © Stephan Huger
Rupert Koller © Stephan Huger


Die Österreichische Gesellschaft für Senologie (ÖGS) ist ein interdisziplinäres Forum für Brustgesundheit. Sie unterstützt den Erfahrungsaustausch zwischen verschiedenen klinischen, diagnostischen und theoretischen Fachrichtungen auf den Gebieten der Medizin, der Biologie, der Physiologie und allen Personen, die sich mit Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Brustdrüse beschäftigen. Die ÖGS fördert darüber hinaus kooperative und interdisziplinäre Studien zur wissenschaftlichen Vertiefung der Kenntnisse in diesem Bereich.